Nachhaltige digitale Geschäftsmodelle. Start-ups als Motor
Fachforum 4, Borderstep Impact Forum 2019
21. Mai 2019 14.00 bis 16.00 Uhr
Harnack-Haus, Ihnestraße 16 – 20, 14165 Berlin-Dahlem
Gemeinsame Veranstaltung des Borderstep Instituts mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und dem Bundesverband Deutsche Startups e. V. im Rahmen der Dialogreihe „Grüne Gründungen stärken“.
Wie können grüne Start-ups besonders wirksam durch Gründungsförderung, Politik und öffentliche Institutionen unterstützt werden? Diese Frage stand im Mittelpunkt des Fachforums „Nachhaltige Digitale Geschäftsmodelle – Start-ups als Motor“. Die Veranstaltung war Teil des Borderstep Impact Forum 2019 im Harnack-Haus in Berlin. Dessen Thema war in diesem Jahr das Spannungsverhältnis von Digitalisierung und Nachhaltigkeit.
Grüne Gründungen als Motor der Wirtschaft von morgen
Die Digitalisierung bietet enorme Chancen für Veränderungen hin zu mehr Nachhaltigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft. Grüne Produkt- und Prozessinnovationen sowie innovative Geschäftsmodelle nehmen dabei eine immer größere Rolle ein. Mit dieser Feststellung eröffnete Alexander Schabel, Senior Projektmanager im Bereich Sustainable Business Development am Borderstep Institut, das Fachforum.
Dass grüne Start-ups der Nische längst entwachsen sind, verdeutlichen die Ergebnisse des Green Startup Monitor 2018. Dr. Yasmin Olteanu, Researcherin am Borderstep Institut, stellte die Studie vor. Ein Viertel aller Start-ups können als grün eingestuft werden, erläuterte die Co-Autorin des Monitors. Das heißt, sie bieten Produkte oder Dienste an, die einen Beitrag zur Green Economy leisten. Jedoch sehen sich diese häufiger der Herausforderung der Kapitalbeschaffung sowie der Vernetzung mit Politik und Unternehmen gegenübergestellt als nicht grüne Start-ups. Dies ließe auf einen hohen Handlungsbedarf verschiedenster Förderakteure schließen, analysierte Yasmin Olteanu.
Welche Förder- und Finanzierungsstrategien sind erfolgreich?
Der Bundesverband Deutsche Startups e.V. setzt sich für ein funktionierendes Ökosystem für Start-ups in Deutschland ein. Die Vernetzung der Gründerinnen und Gründer mit etablierten Institutionen und Unternehmen ermöglicht verschiedene Förderkonstellationen. Der Verband beschäftigt sich aktuell verstärkt mit der Frage der Kapitalakquisition. Dafür untersuche er die Finanzierungsstrategien in anderen europäischen Ländern wie Dänemark, erklärte Björn Kaminski vom Startup-Verband in seinem Vortrag. Im Jahr 2017 hat der Verband mit der ins Leben gerufenen Green Startups Plattform zudem ein erfolgreiches Vernetzungsangebot für grüne Gründer geschaffen. „Während wir früher vermehrt den internen Austausch in Fachgruppen gefördert haben, legen wir mit dieser Querschnittsplattform einen größeren Fokus auf den Netzwerkausbau. Außerdem dient die Plattform auch dazu, das Thema grünes Gründertum weiter hinein in die Gesellschaft zu tragen“, so Kaminski.
Die Verlagerung vom internen zum externen Netzwerkaustausch hilft häufig auf dem Weg zum nächsten Entwicklungsschritt. Das hat das Ende 2016 gegründete Start-up perto GmbH festgestellt: „Wir haben anfangs viel auf Accelerator-Förderprogramme gesetzt, deren Coachings sowie Vernetzungsevents und After-Partys viele Möglichkeiten für den Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch bieten.“ Das berichtete Dr. Sebastian Schröer, Gründer des auf den Austausch von Heizungspumpen spezialisierten Energieeffizienzdienstleistungsunternehmens. Mit diesen Programmen gehe jedoch ein hoher Zeitaufwand einher, den viele Start-ups lediglich aufgrund der Aussicht auf finanzielle Förderung auf sich nehmen, so Schröer.
Start-ups unterstützen Berlin auf dem Weg zur Klimaneutralität
Im vergangenen Jahr konnte perto durch den Erhalt eines öffentlichen Auftrags der Berliner Energiemanagement GmbH (B.E.M.) einen entscheidenden Entwicklungsschritt machen. Gemeinsam mit den Start-ups myWarm und eGain wurde das Unternehmen für den 2-Millionen-Euro Auftrag „Roll-Out Heizungsoptimierung“ ausgewählt. B.E.M. ist ein privatwirtschaftliches, aber zugleich unter den Rahmenbedingungen der öffentlichen Hand agierendes Tochterunternehmen der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM). Der Auftrag sieht vor, zahlreiche Liegenschaften des Landes Berlin energetisch zu saniern, darunter 46 Feuerwehrwachen und 18 Oberstufenzentren. Ziel ist die Erreichung des städtischen Ziels der Klimaneutralität bis 2050.
Perto soll dabei das große Energiesparpotenzial durch die Ersetzung von veralteten Heizungs- und Zirkulationspumpen durch moderne Hocheffizienzpumpen realisieren. Diese Pumpen verbrauchen laut Sebastian Schröer bis zu 90 Prozent weniger Strom. In Zusammenarbeit mit den zwei anderen Start-ups, die den hydraulischen Abgleich der Heizungssysteme und die Temperaturprognosesteuerung der Heizkessel übernehmen, sollen so 30.000 Tonnen CO2 pro Jahr bis 2025 eingespart werden.
„Als die Stadt Berlin auf uns zukam, waren wir eigentlich davon überzeugt, dass ein B2G-Modell mit einem sehr hohen Aufwand verbunden ist. Außerdem haben wir in der öffentlichen Auftragsvergabe ein Risiko für uns als Auftragsnehmer gesehen“, erzählt Schröer über anfängliche Bedenken zur öffentlich-geschäftlichen Zusammenarbeit. Entsprechend überrascht war das Start-up über den nahezu reibungslosen Ablauf der Arbeitsprozesse. Das anfangs wahrgenommene Risiko der öffentlichen Auftragsvergabe entfiel durch einen Rahmenvertrag sowie ein Leistungsverzeichnis.
Ausgezeichneter Klimaschutz
Die Stadt Berlin hat gute Gründe, die energetische Sanierung mit Start-ups voranzutreiben. „Die meisten streben eine maximale Risikominimierung an, allerdings halte ich das in Angesicht der aktuellen Klimasituation für nicht angebracht“, kommentiert das Andreas Tiemann, Leiter der B.E.M. Vor allem in der Immobilienwirtschaft würden Chancen falsch gewichtet, findet er. „Dabei stellt jede nicht wahrgenommene Chance ein erhöhtes Risiko für die Zukunft dar.“ Tiemann unterstrich die Notwendigkeit, neue, förderwirksame Wege zu gehen. Das könne erheblich dazu beitragen, die ambitionierten Klimaschutzziele zu erreichen. Nicht zuletzt die Auszeichnung des Projekts mit dem European Energy Service Award (EESA) für Klimaschutz bestätige dies.
Für perto führte die Projektzusammenarbeit überdies zu neuen Chancen. Das Start-up erkannte, dass der Austausch von Geräten allein nicht reicht. Das Unternehmen entwickelte smarte Pumpen, die durch weitere Senkung des Gebäudegesamtenergieverbrauchs die Wärmewende vorantreiben sollen. Ende letzten Jahres erhielt es dafür im Rahmen des Pilotprogramms Einsparzähler eine Technologieförderung in Millionenhöhe vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. „Ich sehe vor allem auch nach unseren eigenen Erfahrungen ein großes Potenzial für eine ausgeweitete, innovative Zusammenarbeit mit Städten und Kommunen, da diese alle ambitionierte CO2-Einsparziele haben“, betonte Schröer.
DBU fördert Start-ups mit Geld und Beratung
Dass vermehrt auch Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten für Start-ups außerhalb öffentlicher oder staatlicher Programme bestehen, zeigte Dr. Maximilian Hempel, Abteilungsleiter des Bereichs Umweltforschung und Naturschutz der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Diese hat ihr auf den Mittelstand ausgerichtetes Förderangebot im Bereich Nachhaltigkeit und Digitalisierung um ein EUR 1,5 Millionen umfassendes Sonderprogramm erweitert. „Das Programm entstand aus der Einsicht, dass vor allem der Mittelständler, ein in der Tat scheues Reh, der Förderung und Orientierung bedarf. Mit der leicht zugänglichen Förderung bieten wir grünen Gründern neben Finanzierungsmöglichkeiten von bis zu EUR 125.000 auch intensive Beratung und Begleitung, die den individuellen Bedürfnissen der Unternehmen angepasst werden“, so Hempel. Förderanträge könnten ab sofort online gestellt werden.
Die Veranstaltung war Teil der Dialogreihe Grüne Gründungen stärken!, die Kenntnisse über die Rahmenbedingungen, Bedeutung, Trends und Hürden grüner Start-ups zu vermitteln sucht. Partner der Dialogreihe, die bundesweit insgesamt 12 Veranstaltungen umfasst, ist der Bundesverband Deutsche Startups e.V. (BVDS). Gefördert wird das Dialogformat von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Die nächste Veranstaltung der Dialogreihe wird im September 2019 in Frankfurt a.M. stattfinden. Schwerpunkt dann sind die Themen Mobilität, Smart City und Logistik.
Speaker
Session Chair: Alexander Schabel, Borderstep Institut
Alexander Schabel kümmert sich beim Borderstep Institut um das Thema Gründergeist und wirkt an der Schnittstelle von Entrepreneurship-Theorie und Unternehmens-Praxis. Er leitet das Portal für die grüne Gründerszene StartGreen.net und den StartGreen Award, der innovative Start-ups und ihre Förderer auszeichnet. Im Rahmen dieser Tätigkeit unterstützt er das Borderstep-Wissenschaftsteam bei den Vorhaben GreenUpInvest und StartGreen@School. So entwickelt Alexander Schabel bei letztgenanntem Projekt Methoden und Tools zur Förderung einer nachhaltigkeitsorientierten Gründungskultur an Schulen.
Co-Chair: Björn Kaminski, Bundesverband Deutsche Startups e. V.
Björn Kaminski ist beim Startup-Verband u.a für den Aufbau und die Organisation der Green Startups Plattform zuständig. Dabei organisiert er Events im Rahmen der Plattform, informiert die Mitglieder über neue Chancen, vernetzt Startups mit wichtigen Akteuren, initiiert Kooperationen und repräsentiert als Jurymitglied und als Speaker auf Konferenzen, Messen und bei Wettbewerben die großen Chancen und tollen Innovationen von Startups, die ein ökologisch nachhaltiges Geschäftsmodell haben.
Dr. Yasmin Olteanu, Borderstep Institut
Vortrag: Sind grüne Start-ups digitaler und innovativer? Ergebnisse des Green Startup Monitors
Dr. rer. pol. Yasmin Olteanu ist seit September 2018 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Borderstep Institut. Ihr Forschungsschwerpunkt ist Sustainable Entrepreneurship. Im Rahmen des Projekts Grüne Gründungen als Transformationsmotor stärken stimuliert sie eine stärkere Wahrnehmung der Bedeutung und Herausforderungen von Gründungen im Bereich Green Economy und die Optimierung relevanter Förderinstrumente. Darüber hinaus treibt sie die Entwicklung des Green Economy Gründungsmonitors und des Green Startup Monitors voran.
Dr. Sebastian Schröer, Perto
Vortrag: Mit digitalen Geschäftsmodellen Umweltinnovationen umsetzen, Grünes Start-up
Dr. Sebastian Schröer ist Gründer und Geschäftsführer der perto GmbH. Das Energieeffizienzdienstleistungsunternehmen hat sich auf den standardisierten Austausch von ineffizienten Geräten und die Installation von smarten Einsparzählern in Gebäuden spezialisiert. Sebastian Schröer begann seine Karriere am Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut in der Abteilung Energie und Rohstoffmärkte. Anschließend beschäftigte er sich bei der MVV Energie AG mit der Zukunft von Energiedienstleistungsmärkten und bei der OMV AG mit Geschäftsmodellinnovation im Energiesektor. Er studierte Volkswirtschaft an der Universität Hamburg.
Andreas Tiemann, Berliner Energiemanagement GmbH (B.E.M.)
Vortrag: Innovative Start-Up-Förderung durch öffentliche Auftragsvergabe
Andreas Tiemann verantwortet in der Geschäftsleitung der B.E.M. den strukturellen Aufbau der Gesellschaft sowie Konzeption, Durchführung, Betrieb und Finanzierung von Energieeffizienzmaßnahmen, einschließlich der Identifikation von Pilot-Projekten.
Davor hat er Maßnahmen im Nichtwohngebäudebereich, einschließlich der strategischen Beratung bei der Erstellung von Sanierungsfahrplänen für große Gebäudeportfolien z.B. für die BImA, das Land Brandenburg und die Vonovia bei der dena Deutsche Energieagentur GmbH entwickelt und durchgeführt. Als Senior Energy Manager hat er für West- und Südeuropa bei CBRE und NSN das Energiemanagementsystem entwickelt und umgesetzt. Als Leiter des technischen Facility Managements bei der BAM Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung war er verantwortlich für den technischen Betrieb und technische Baumaßnahmen. Er war Projektleiter für die Planung und Bauleitung der TGA-Gewerke, freiberuflich und bei verschiedenen Planungsbüro, einschließlich der Verantwortung für das Tempodrom mit Liquidrom für EST EnergieSystemTechnik. Er hat einen Master of Business Administration (MBA) und ist Dipl. Ingenieur für Energie- und Versorgungstechnik.
Dr. Maximilian Hempel, Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)
Vortrag: Digital und nachhaltig! Das neue DBU-Start-up-Förderprogramm
Maximilian Hempel ist seit 2002 für die Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) tätig, zunächst als Leiter des Referates Umweltchemie, seit April 2019 als Abteilungsleiter Umweltforschung und Naturschutz. Die DBU fördert seit 1990 innovative, modellhafte und lösungsorientierte Vorhaben zum Schutz der Umwelt unter besonderer Berücksichtigung der mittelständischen Wirtschaft. Seit April 2019 will die DBU durch ein eineinhalb Millionen Euro Sonderprogramm grüne Start-up-Unternehmen fördern und den jungen Mittelstand im Interesse des Umweltschutzes unterstützen.