Was wir heute tun entscheidet darüber, wie die Welt morgen aussieht. (v. Ebner-Eschenbach)
  • Fridays4Future Hannover © Bernd Günther
  • Fridays4Future Hannover © Bernd Günther
  • © Landeshauptstadt Hannover
  • © Scientists for Future Hannover
  • Silkeborg © Jens Clausen

Raus aus der Kohle: Hannover und die Wärmewende

Der Weg zur "Vereinbarung für eine Wärmewende in Hannover"

Am 15. Juli 2021 beschloss der Rat der Landeshauptstadt Hannover, das Kohlekraftwerk Stöcken schneller als bisher geplant abzuschalten und dafür die regenerative Wärmeerzeugung deutlich auszubauen. Weiter wird eine Anschluss- und Benutzungspflicht an die Fernwärme eingeführt, der Umbau von Ölheizungen hin zu Wärmepumpe und Fernwärme gefördert und ein digitales Heizungseffizienzprogramm aufgelegt. Um schnelle Wirkungen zu erzielen, investieren Stadt Hannover und die enercity AG 35 Mio. Euro in drei Jahren. (Pressemitteilung)

Borderstep unterstützt politischen Prozess mit wissenschaftlicher Expertise

In sieben Verhandlungsrunden mit der Vorstandsvorsitzenden der enercity AG (Stadtwerke Hannover) und dem Oberbürgermeister Belit Onay gelang es Dr. Jens Clausen vom Borderstep Institut, wesentliche Punkte im politischen Programm der Wärmewende zu verankern.

Der in den Jahren 2020 und 2021 geleistete aktive wissenschaftliche Beitrag zur Wärmewende in der Region Hannover baut auf Aktivitäten in den Vorjahren auf. Die Chance für eine „Transformationsregion“ ergab sich schon mit Projektbeginn Anfang 2019 durch die zeitgleich beginnenden Demonstrationen der Bewegung FridaysForFuture. Parallel zu dieser Entwicklung gehörte Dr. Jens Clausen aus dem Projektteam sowohl bundesweit als auch in Hannover zu den aktiven Wissenschaftlern bei der Gründung der ScientistsForFuture. Der Bezug des Projektes zu den Zielen der FridaysForFuture-Bewegung war offensichtlich und führte schon 2019 zu einer Reihe von Vorträgen von Dr. Jens Clausen zum Thema Wärme.

  • „Dänemark auf dem Weg zur klimaneutralen Wärmeversorgung“, Vortrag auf Einladung der ParentsForFuture in der Leibnizuniversität Hannover
    04.07.2019
  • „Institutionelle Grundlagen für eine nachhaltige Wärmeversorgung am Beispiel Dänemark“, Vortrag auf dem Leuphana-Energieforum in Lüneburg
    23.10.2019
  • „Warum wird in Dänemark viel mehr mit erneuerbaren Energien geheizt und warum ist das für die Leute trotzdem billiger als in Deutschland?“ Vortrag im Rahmen der Public Climate School in der Leibnizuniversität Hannover
    28.11.2019

Mitstreiter ParentsForFuture

Im November 2019 kam ein Kontakt zu einer Gruppe von Aktiven der ParentsForFuture zustande, deren Ziel die Beschleunigung des Kohleausstiegs in Hannover war. Das Kohlekraftwerk in Hannover dient jedoch primär der Einspeisung von Wärme in das Wärmenetz und wird fast ausschließlich wärmegeführt gefahren. Deshalb war eine Außerbetriebsetzung nur denkbar, wenn neue Wärmequellen in der Größenordnung von ca. 1 TWh/a erschlossen werden können.

Das Gespräch war der Anstoß, durch aktive Unterstützung dieser Initiative im Rahmen des Projektes Governance radikaler Umweltinnovationen (GO) Erkenntnisse über den Ablauf von einem lokalen Transformationsprozess zu gewinnen und so die Aussagekraft und Erkenntnistiefe des Projekts „GO“ zu verbessern.

  • Das neue Arbeitspaket „Transformation der Wärmeversorgung in der Region Hannover“ wird im Rahmen einer Aufstockung des Projekts GO beantragt.
    Ende 2019
  • Die Aufstockung wird genehmigt.
    Frühjahr 2020
  • Borderstep legt eine Wärmepotenzialanalyse vor. Sie ermutigt die Initiativgruppe der ParentsForFuture, ein Bürger*innenbegehren unter dem Titel „hannover erneuerbar“ ins Leben zu rufen.
    April 2020
  • Erste Diskussion der Fridays-Bewegung (Schüler*innen, Student*innen, Parents, Scientists) mit Dr. Susanna Zapreva, Vorsitzende der Stadtwerke Hannover enercity AG.
    27.05.2020

In dieser Phase war in den strategischen Überlegungen der Stadtwerke Erdgas eine wichtige Option, sowohl die Wärme aus dem Kohlekraftwerk zu ersetzen wie auch später in der Form von Wasserstoff oder Biogas die Versorgung von Gasheizungen in Einzelgebäuden mit Brennbarem aufrecht zu erhalten. Die Wissenschaft wie auch die Bürgerbewegung kritisierten die Lösung Erdgas. Ebenso kritisierten sie die nicht-realistischen Perspektiven von großen Mengen Wasserstoff oder Biogas in der Wärmeversorgung.

  • Um sich über das Potenzial der Solarthermie in Dänemark zu informieren, verknüpfte Dr. Jens Clausen seinen Sommerurlaub 2020 mit einem Besuch der größten Solarthermieanlage der Welt in Silkeborg in Jütland.
    Sommer 2020
  • Im September 2020 kündigten die Stadtwerke Hannover an, nicht wie erwartet und in andere Kommunen praktiziert, das KWK-Kohlekraftwerk durch ein Gaskraftwerk zu ersetzen. Stattdessen setzt das Unternehmen auf einen breiten Wärmemix aus Abfall- und Klärschlamm- und Altholzverbrennung sowie Abwärme und Umweltwärme.
    Herbst 2020
  • Die Richtung der zukünftigen Fernwärmeversorgung in Hannover ist auf einen konsequent fossilfreien Weg festgelegt.
    Herbst 2020
  • Das Bürger*innenbegehren „hannover erneuerbar“ wird öffentlich und startet mit der Unterschriftensammlung.
    28.01.2021

Input für den regionalen Planungsdiskurs

Im Rahmen des Vorhabens Governance radikale Umweltinnovationen (GO) konnte Borderstep am Beispiel eines konkreten und aktuell laufenden Transformationsprozesses auf regionaler Ebene die Übertragbarkeit von Erfolgsstrategien radikaler Systeminnovationen auf verschiedene Governance-Ebenen geprüft werden. Außerdem brachte Borderstep wissenschaftlichen Input in den regionalen Planungsdiskurs ein. Das verbesserte die Kenntnisse der handelnden Akteure in Bezug auf das verfügbare Governance-Instrumentarium.

  • Die Hannoversche Allgemeine Zeitung startet den direkten Dialog mit dem Bürger*innenbegehren, der Stadtverwaltung und der enercity AG. Dr. Jens Clausen war als Vertreter der Wissenschaft einer der Panelisten der Auftaktveranstaltung.
    11.02.2021
  • Im Anschluss an das HAZ-Forum begann eine Serie von sieben Verhandlungsrunden zwischen dem Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Hannover, Belit Onay, der Vorstandsvorsitzenden der Stadtwerke Hannover und dem Bürger*innenbegehren, die Dr. Jens Clausen als Wissenschaftler jeweils inhaltlich begleitete.
    Frühjahr und Sommer 2021
  • Raus aus der Kohle: Der Ratsbeschluss bringt als Ergebnis der Verhandlungen eine Vereinbarung der Gesprächspartner*innen.
    15.07.2021

Demnach erklärt sich Energiedienstleister enercity bereit, nachprüfbar so früh wie möglich das Kohlekraftwerk stillzulegen – angestrebt wird das Jahr 2026. Ein weiterer Kernpunkt des Vorschlags ist, dass die Stadt und enercity für die Jahre 2021 bis 2023 den Menschen in Hannover insgesamt 35 Millionen Euro zur Verfügung stellen, um CO2-mindernde Maßnahmen zu finanzieren. Dazu zählen eine Initiative zum Ölheizungstausch, eine Anschlusspflicht für bisher fossile Heizanlagen ans Fernwärmenetz (bei Neubauten oder Anlagentausch bei Bestandsbauten), eine Heizungseffizienz-Offensive sowie der Plan, den ersten Block im Kohlekraftwerk nach Möglichkeit ein Jahr früher als geplant, also 2024, stillzulegen.

Bis 2035 rund 800.000 Tonnen CO2-Einsparungen in Hannover

Mit diesem Bündel an Maßnahmen soll es gelingen, bis 2035 rund 800.000 Tonnen Kohlendioxid einzusparen. Dies entspricht mehr als der Hälfte des CO2-Ausstoßes für das Kohlekraftwerk in seiner bisher geplanten Laufzeit bis 2030. In Umsetzung der Vereinbarung wurde ferner vom  Oberbürgermeister ein Beirat mit Teilnehmenden vom Bürger*innenbegehren, der Stadtverwaltung und von enercity einberuft, um für alle Beteiligte Transparenz über die Umsetzung vereinbarter Maßnahmen herzustellen. Der Beirat tagt halbjährlich und begann seine Arbeit im Mai 2022. Dr. Jens Clausen von Borderstep wirkt als Vertreter des Bürger*innenbegehrens am Beirat mit.

Der Gesamtplan zielt auf den Ausbau von ca. 5.000 Ölheizungen, die durch Fernwärmeanschluss oder Wärmepumpe substituiert werden sollen, die Einbindung von 7.000 gasbeheizten Gebäuden ins Fernwärmenetz sowie eine digitale Heizungseffizienz-Offensive für 40.000 Wohnungen. Insgesamt könnte das Programm die Wärmeversorgung von ca. einem Drittel der Wohnungen in Hannover in Richtung auf nicht-fossile Wärme verändern. Von den projektierten Gesamtkosten von ca. 1 Mrd. € bis 2040 wird aus Mitteln von Stadt und enercity nach dem Ratsbeschluss vom 15.7.2021 zunächst für die Jahre 2021 bis 2023 eine Anschubfinanzierung von 35 Mio. € bereitgestellt.

Die Fernwärmesatzung für das Stadtgebiet von Hannover wurde im September 2022 vom Rat der Stadt beschlossen. Seit dem 1.1.2023 muss nun im Gebiet der Fernwärme-Versorgungsgebiete bei Ausfall einer Gas- oder Ölheizung ein Anschluss an das Fernwärmenetz erfolgen. Ein 1:1 Austausch der fossilen Heizungsanlagen ist untersagt.

Ende 2022 wurde von der enercity AG auch der vollständige Plan vorgelegt, durch welche Wärmequellen die Wärme aus dem Kohlekraftwerk Stöcken bis 2026 ersetzt werden sollen. Es wird ein Mix aus der Verbrennung von Abfall, Klärschlamm, Altholz und Biomethan (zur Spitzenlastdeckung) sowie der Bau von Wärmepumpen, einer Geothermieanlage sowie die Nutzung der Abwärme aus einem Zementwerk projektiert.

Projekt GO bringt mittelfristig CO2-Einsparungen von 2 bis 3 Mio. Tonnen

Diese Vereinbarung wäre ohne die durch Dr. Jens Clausen geleistete wissenschaftliche Begleitung des vom Bürger*innenbegehren angestoßenen lokalen Diskussionsprozesses wahrscheinlich nicht zustande gekommen. Das Projekt „GO“ trägt damit mittelfristig zu CO2-Einsparungen von 2 bis 3 Mio. Tonnen bei.

Projektergebnisse