Warum ist Richtungssicherheit in der Wasserstoffpolitik wichtig?

Richtungssicherheit in der Wasserstoffpolitik

Grüner Wasserstoff hat in der energiepolitischen Debatte fast den Status eines „Allheilmittels“ erlangt. Aber die Vielfalt an möglichen Abnehmern führt zu Unklarheiten. Im Projekt Wasserstoff als Allheilmittel? (H2A?) untersucht Borderstep die Frage, wie hier Richtungssicherheit geschaffen werden kann.

Richtungssicherheit wird als die kollektive Überzeugung dominanter Akteure über die Richtigkeit eines sozio-technischen Transformationspfades verstanden.

Auf Basis von Interviews mit relevanten Akteuren aus Deutschland, die sich mit der Entwicklung der
Wasserstoffwirtschaft befassen, liefert die jetzt veröffentlichte Studie Richtungssicherheit in der Wasserstoffpolitik: Eine explorative Untersuchung wichtige Erkenntnisse.

Konsens im Bereich Stahl und Chemie

In den Anwendungsfeldern Stahl und Chemie sowie Energiespeicher ist bei den Interviewpartnern ein weitgehender Konsens über die Sinnhaftigkeit der Anwendung von Wasserstoff zu erkennen. Gründe sind hier vor allem mangelnde technologische Alternativen.

Keine Richtungssicherheit bei Gebäudewärmeversorgung

Im Pkw-Verkehr sehen die meisten befragten Akteure einen klaren Pfad in Richtung E-Mobilität. Im Schwerlastverkehr ergibt sich ein gespaltenes Meinungsbild. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Richtungssicherheit bei bestimmten Mobilitätsanwendungen und bei der Gebäudewärmeversorgung nicht gegeben ist.

Unterschiedliche Narrative

In den Ausführungen der 15 Interviewpartnerinnen und -partner lassen sich eine Vielzahl an unterschiedlichen Narrativen identifizieren, die sich grob in zwei (gegensätzliche) Grundrichtungen einteilen lassen.

  • Zum einen Narrative, die sich durch eine grundsätzlich optimistische Erwartungshaltung gegenüber Wasserstoff als Energieträger und der Lösungsfähigkeit von Technologien charakterisieren lassen.
  • Zum anderen Narrative, welche Wasserstoff als Energieträger kritisch und differenzierend betrachten. So ergibt sich ein erstes Bild der Narrativ-„Landschaft“ im Wasserstoffdiskurs.

Bislang ist kein dominantes Narrativ zu erkennen, welches einen klaren Transformationspfad etabliert.

Die Aussagen der interviewten Personen deuten darauf hin, dass dort, wo unter dominanten Akteuren keine gemeinsame Überzeugung bezüglich eines Transformationspfades herrscht, wo also keine Richtungssicherheit besteht, die Entwicklung eines konsistenten Policy Mix für die Politik schwerfällt.

Dies ist z.B. bei der gebäudebezogenen Wärmeversorgung der Fall. Hier steht die relative Einigkeit unter den wissenschaftlichen Akteuren, dass ein Wasserstoffeinsatz aufgrund von effizienteren und günstigeren Alternativen nicht zielführend ist, im Spannungsfeld zu den Interessen der Erdgaswirtschaft.

Konträre Narrative verhindern Richtungssicherheit

Das „Bombardement“ der Politik mit konträren Narrativen und Argumenten verhindert die Entstehung von Richtungssicherheit und erschwert die Entwicklung eines konsistenten Policy-Mix im Bereich der gebäudebezogenen Wärmeversorgung.

Außerdem zeigt die Untersuchung, dass solange Planungs- und Genehmigungsprozesse, regulatorische Maßnahmen (inklusive Förderpolitik) und Fragen des Ordnungsrechtes für Unternehmen nicht ausreichend ausgestaltet bzw. beantwortet sind, Richtungsunsicherheiten bestehen bleiben, wodurch Planungssicherheit und Investitionsbereitschaft erheblich geschmälert werden.

Wissenschaft kann zu Richtungssicherheit beitragen

Die Aussagen der Interviewpartner geben Hinweise zur Rolle wissenschaftlicher Akteure in der Konstruktion und Evolution von Richtungssicherheit. Unter bestimmten Umständen können wissenschaftliche Studien Einfluss auf die Meinungsbildung von Akteuren der Wasserstoffpolitik nehmen und zur Konstruktion von Richtungssicherheit beitragen.

Der Grad des Beitrages zu kollektiven Überzeugungen und Erwartungen scheint von verschiedenen Faktoren, wie z.B. der Neutralität, Anzahl und Reputation der Forschungseinrichtungen, der Zeitdimension der Betrachtung (mittel- bis langfristig) und der Eindeutigkeit der Befunde, abzuhängen.

Die gesamte Studie steht zum kostenlosen Download zur Verfügung.