Sustainability4All: Startups verändern Gesellschaft
„Man kann die Klimakrise nicht lösen durch ein bisschen Verzicht. Wenn man Menschen sagt, wir müssen uns ändern, passiert nichts.“ Wolfgang Gründinger, Chief Evangelist des Startups Enpal und Star-Gast der Veranstaltung, weiß, wie man mit einem nachhaltigen Geschäftsmodell Erfolg haben kann. Enpal gilt als erstes grünes „Einhorn“ in Deutschland, als Einhorn (englisch: Unicorn) werden Startups mit einer Marktbewertung von über einer Milliarde US-Dollar bezeichnet. Enpals Geschäft rund um die Vermietung von Photovoltaik-Anlagen und Speichern ist somit der Nische längst entwachsen. „Enpal hat nicht die Solarzelle erfunden, sondern wir haben Solarenergie cool gemacht – mit einem Rundumsorglos-Paket.“ Mit einer App die Energiegewinnung vom eigenen Dach zu steuern macht der Kundschaft Spaß. Die Menschen zum Mitmachen zu bewegen, um so ihr Verhalten nachhaltig zu ändern, darin sieht Gründinger seine Aufgabe. „Diese Bringschuld haben wir als Startups, nur so können wir das in die Masse bringen.“
Nachhaltigkeit – Erfolgsrezept für alle Startups
Wie kann Nachhaltigkeit von Anfang an und dauerhaft in Geschäftsmodellen verankert werden? Welche Tools brauchen Gründerinnen und Gründer, um das Nachhaltigkeitspotenzial ihres Startups zu heben? Was muss sich dafür in der Gründungsförderung ändern? Mit diesen Fragen beschäftigte sich das Projekt „Sustainability4All“ (S4All) von Borderstep Institut, Startup Verband, und Uni Oldenburg. Ein moderiertes Panel stellte die Ergebnisse des im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative geförderten Vorhabens vor.
„Wir denken bisher Gründungen und Startups aus einer ökonomischen Sicht. Das ökosoziale Potenzial ist jedoch enorm – in den Köpfen ist das jedoch noch nicht drin“, findet Klaus Fichter, Professor an der Universität Oldenburg, der auch das Borderstep Institut leitet. Er plädiert für eine missionsorientierte Gründungspolitik. Dazu gehört auch die gezielte Förderung in der frühen Phase von Gründungen. Julia Roblick ist Programmmanagerin des RESPOND Accelerator, Teil vonUnternehmerTUM München. Sie stellt fest, dass Startups gerade zu Anfang dem Thema Nachhaltigkeit wenig Priorität einräumen. „Vielen Teams geht es erst einmal ums Überleben und darum, die nächste Investitionsrunde zu sichern. Die Gründungsförderpolitik könnte hier Weichen stellen, indem sie zum Beispiel den Nachhaltigkeitsfokus als Auswahlkriterium aufnimmt.“
Gründungsförderung: Mit Auswahlkritierien Akzente setzen
Auch in den Förderprogrammen selbst könne man viel erreichen, sagt Julia Roblick. Nachhaltigkeit müsse von Anfang an als Thema in den Programmen verankert werden, zum Beispiel als Zielsetzung in Vision, Mission und Strategie. Auch bei der Auswahl der Startups durch Integration von Nachhaltigkeit in Auswahlkriterien lassen sich Akzente setzen – und das funktioniert für alle Startups. Julia Roblick sensibilisiert im Rahmen des nicht-grünen Programm „TechFounders“ die Teilnehmenden mit Workshops und Assessments standardmäßig für das Thema Nachhaltigkeit.
Christoph Schmitz hat das Startup Acker gegründet. Hier ist Nachhaltigkeit Programm: Das Unternehmen will mit Bildungsprogrammen wie der GemüseAckerdemie Kindern das Bewusstsein für die Produktion von Lebensmitteln und eine wertschätzende Ernährung stärken. Ihn irritiert die inflationäre Verwendung des Nachhaltigkeitsbegriffs. „Derzeit sprießen Nachhaltigkeits- und Impact-Fonds aus dem Boden, das ist aber oft oberflächlich. Wir brauchen mehr echtes Impact Measurement, und das muss sich dann für Startups auch bei der Finanzierung auszahlen.“ Frühphaseninvestoren und Hochschulen könnten aus seiner Sicht hier noch stärker ihren Schwerpunkt setzen.
Karsten Hurrelmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Innovationsmanagement & Nachhaltigkeit an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, sieht gerade im Hochschulbereich schon sehr vorbildliche Ansätze, Nachhaltigkeit systematisch in die Hochschulgründungsförderung einzubeziehen. Im Rahmen des Projekts S4All entwickelte er gemeinsam mit Klaus Fichter eine Good-Practice-Broschüre. „Das Problem ist: Wie bringen wir das aus der Nische ins gesamte Ökosystem?“ Noch fehlen dazu oft konkrete Beratungsangebote, es gäbe eine regelrechte Nachhaltigkeitslücke in der Gründungsberatung, so Hurrelmann Auch das Impact Measurement stecke hier noch in den Kinderschuhen. „Bisher regiert das Prinzip Hoffnung. Das muss professionalisiert werden“, ergänzt Klaus Fichter.
Neben der nachhaltigkeitsorientierten Gründungsberatung fehlt es im Bereich Finanzierung an ausreichend Unterstützung. Auch wenn immer mehr Kapitalgebende das Thema auf dem Schirm haben, sagt Marius Weckel, Investment Manager Venture Capital bei Wi Venture. Die Zurückhaltung habe konkrete Ursachen. „Venture Capital funktioniert leider nur bei stark skalierbaren Geschäftsmodellen. Wenn der Markt zu klein ist, haben auch super Unternehmen kaum Chancen. Deshalb muss auch der Staat nachhaltige Startups unterstützen, vor allem in der Frühphase.“ Ein „Climate Fonds“ der Bundesregierung könnte da Abhilfe schaffen, findet Weckel.
Nachhaltigkeit darf kein Nice-to-Have sein
Dass Nachhaltigkeit immer mehr zum Argument bei der Suche nach Finanzierung wird, weiß Alexander Schabel, Leiter Sustainable Business Development beim Borderstep Institut und Teil des Gründungsteams von ImpactNexus. Das Startup mit dem Sitz in Berlin entwickelt Software-as-a-Service Angebote, welche die Wirkung und Nachhaltigkeit von Gründungen und Innovationen messbar machen. Nachhaltigkeit könne demnach im Wettbewerb ein besonderes Differenzierungsmerkmal darstellen, um zum Beispiel Talente anziehen und die Motivation im Team zu stärken. „Früher wurde Nachhaltigkeit in Bezug auf Finanzierung als Nice-to-Have oder sogar hinderlich angesehen, heutzutage wird es immer mehr ein Must-Have.“ Für Kapitalgebende spielen dabei auch europäische Regulierungen eine signifikante Rolle, wie beispielsweise die Sustainable Financial Disclosure Regulation (SFDR). Diese verpflichtet Finanzunternehmen wie VCs dazu, transparent offenzulegen, inwieweit sie Nachhaltigkeitskriterien in Entscheidungsprozesse für Investitionen einbeziehen.
Zusätzlich beobachtet Alexander Schabel auch sehr viel intrinsisch motivierte Impact VCs, die Nachhaltigkeit ins Zentrum ihrer Tätigkeit rücken. Dass auch immer mehr Gründerinnen und Gründer dieses Ziel verfolgen, zeigen auch die Ergebnisse des Green Startup Monitors. Damit vermessen das Borderstep Institut und der Startup Verband seit vier Jahren das grüne Startup-Ökosystem. „Unser Monitor zeigt, dass Gründungsförderakteure eine wichtige Stellung haben. Sehr viele Startups durchlaufen mindestens eins dieser Programme.“ Daher sei es wichtig, dass Gründungsförderakteure auf einen Tool-Koffer zurückgreifen können, sagt Alexander Schabel. Das Projekt hat deshalb nicht nur Tools entwickelt, sondern diese auch mit Gründungsförderakteuren getestet.
Tool erleichtert Startups Reporting von Nachhaltigkeit
Dazu gehört auch das „SusI Tool“. „Mit dem kostenfreien Angebot soll die Erfassung und das Reporting von Nachhaltigkeit für Startups erleichtert werden“, erklärt Björn Kaminski, Projektleiter Sustainability4All & Green Startups beim Startup Verband. Im Selbstassessment mit etwa 200 Fragen und verschiedenen Filtern können Gründerinnen und Gründer ihr Angebot überprüfen und schärfen. Haben wir an alle Themenfelder gedacht? Wie können wir unsere Nachhaltigkeitsziele auch nach außen gut kommunizieren? Ergänzt wird das Tool durch Best Practice-Beispiele. Alle im Projekt entwickelten Tools und Materialien stehen kostenfrei zur Verfügung.
Dr. Natalia Realpe Carrillo, Gründerin des Startups Hedera Sustainable Solutions, hätte ein solches Tool gern genutzt. Über mehrere Feedbackrunden in den Förderprogrammen der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und Exist näherte sie sich damals weitaus mühsamer dem Thema an. Inzwischen ist sie auch Jurorin beim BPW Businessplanwettbewerb. Leider werde Nachhaltigkeit in diesem Wettbewerb noch immer nur mit einem Sonderpreis bedacht. Das zu ändern sieht Realpe Carrillo als ihre Aufgabe. „Nachhaltigkeit darf kein Nice-to-Have, sondern muss der Ansatz für alle Startups in Deutschland sein.“